Abiturfeier des Jahrgangs Q2/13 im Schuljahr 2022/23



Abiturrede 2023 – Albus Dumbledore in Hogwarts



Liebe Eltern und Verwandte, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, vor allem aber liebe Schülerinnen und Schüler unseres siebzehnten Abiturjahrgangs an der EGG.

Als Schulleiter der Evangelischen Gesamtschule Gelsenkirchen-Bismarck begrüße ich euch und sie alle herzlich zur diesjährigen Zeugnisübergabe unserer Abiturient:innen. Alle Menschen, die in unserem vollbesetzten Theater sitzen, haben einen Grund gemeinsam zu feiern, also: Herzlich willkommen!

Inhaltlich hatte ich das Thema für meine diesjährige Abiturrede bereits vor drei Jahren in unseren insgesamt sechs Kleinstabschlussveranstaltungen unter Coronabedingungen festgelegt, als ich eine Rede des – neben mir – bekanntesten Schulleiters kurz zitiert habe und dies als Anlass dafür nehmen wollte, sich mit ihm und seiner Schule bei der Abiturrede drei Jahre später erneut zu befassen. Vermutlich erinnern sich alle Anwesenden im Detail an meine Worte von damals.

Da eine solche Abiturrede jährlich wiederkehrend eine große Verantwortung ist, zitiere ich deswegen gerne Joanne K. Rowling, die mit dem oben genannten Schulleiter in einem Abhängigkeitsverhältnis steht und die bei einer Abschlussrede vor realen Absolventen in Harvard 2011 folgendes formulierte:

Eine Abschlussrede zu halten, ist eine große Verantwortung. Jedenfalls dachte ich das, bis ich mich an meine eigene Abschlussfeier erinnerte. Die Rednerin damals war die britische Philosophin Baroness Mary Warnock. Über Ihre Rede nachzudenken, hat mir enorm geholfen, meine eigene zu formulieren. Denn ich kann mich nicht an ein einziges ihrer Worte erinnern. Diese befreiende Entdeckung erlaubt es mir weiterzusprechen, ohne dabei zu befürchten, die Absolventen in einer unangemessenen Weise zu beeinflussen.“

Für diejenigen, die sich also nun guten Gewissens nicht mehr an meine Worte und mein Versprechen von vor drei Jahren erinnern – es wird heute um Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore (*1881 - †1997) gehen, der der Schulleiter von Harry Potter an der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei gewesen war. Eine Schule übrigens an der man sich – zumindest online – auch heute noch jederzeit anmelden kann.

Hogwarts ist dabei bei richtiger schulischer Betrachtung … eher eine Art Berufskolleg als eine Gesamtschule, denn die dort unterrichteten Fächer sind Fächer der Zauberei und damit zunächst einmal rein anwendungsbezogen und praktisch ausgerichtet: Zauberkunst, Zaubertränke, Verwandlung, Kräuterkunde, Abwehr magischer Kräfte, Wahrsagen usw.

Das hört sich auf den ersten Blick dann auch verlockend an, denn:

  • Wer möchte nicht die Lottozahlen vorhersagen können?

  • Wer würde sich nicht einmal gerne verwandeln (in eurer Mottowoche habt ihr das ja eindrucksvoll selbst nachgewiesen) ?

  • Wer von allen Anwesenden würde auch nicht gerne zaubern können?

  • Und so Manchen unter euch wäre der Zauberspruch: „Zaubermolch und Kolibrigesumm, dieses Wasser sei fortan Rum“ in den Tagen des Feierns – so ich die zahlreichen diesbezüglichen Aussagen aus der Abizeitung ernst nehme – nicht mehr als willkommen gewesen?

Dennoch produziert Hogwarts als Berufskolleg mit Internat mit einer an den Berufskollegs unserer realen Welt zum Glück gar nicht möglichen Beschränkung und Einengung fachlicher Bildung nur einen einzigen Menschentyp: den Zauberer oder die Zaubererin. Dieser Menschentyp kann infolgedessen auch nur in der Parallelwelt Harry Potters, der magischen Welt, unter seinesgleichen leben. In der realen Welt würde man Personen mit einer derart verkürzten und beengten Bildungsperspektive als Fachidioten belächeln, bestenfalls zauberhafte aber eben nur in bestimmten Gesellschafts- oder Berufsnischen überlebensfähige Fachidiot:innen.

Insofern bin ich froh, euch heute nicht das UTZ als unheimlich tolle Zauberer:innen zu überreichen, sondern das ABI als Nachweis eurer Allgemein-bildungsIntelligenz. Hiermit seid ihr in unserer realen Welt überlebensfähig, da ihr nicht nur spezifisches Fachwissen auf einer nur beschränkt anwendungsbezogenen Nutzungsbasis erworben, sondern hoffentlich eine Allgemeinbildung durchlaufen habt auf breiter Fächergrundlage, im Spektrum allgemeiner und auf Selbständigkeit abzielender Bildung.

Anders als viele – zum Teil auch liebevolle – Fachidiot:innen im Lehrkörper von Hogwarts, kann Dumbledore als allseits begabter und weiser Generalist, der immer im Hintergrund wirkt, angesehen werden. Belegbar ist das problemlos durch verschiedene Zitate – an dieser Stelle nur beispielhaft drei kurze aus sechs Potterbänden:

  • Es ist der Wert der Überzeugung, der den Erfolg ausmacht. Nicht die Anzahl der Anhänger.“

  • Es ist nicht gut, wenn wir unseren Träumen nachhängen und vergessen zu leben.“

  • Das ist das Problem: Die Menschen haben den Hang, genau das zu wählen, was am schlechtesten für sie ist.“


Vor fast 26 Jahren, am 26. Juni 1997, erschien in Großbritannien der erste Band dieser Saga um einen Jungen und seine beiden besten Freunde, Hermine Granger und Ron Weasley, die wenig später die ganze Welt kennen sollte. Mit mehr als 500 Millionen verkauften Büchern in rund 80 Sprachen (zuletzt ist übrigens Jiddisch mit einer Auflage von 3.000 Exemplaren hinzugekommen) gilt Harry Potter als erfolgreichste Buchserie der Welt. Die erste Auflage des Debütromans "Harry Potter und der Stein der Weisen" umfasste demgegenüber gerade einmal 500 Exemplare - viele davon gingen an Büchereien. Heute sind diese Erstausgaben Sammlerstücke, die für hohe Summen gehandelt werden.


Da die Leseförderung an der EGG im kommenden Jahr in den Jahrgangsstufen 5 und 6 mit zusätzlichen 20 Unterrichtsstunden pro Woche intensiv verstärkt werden wird, kann es natürlich auch gut dazu kommen, dass hier die Lektüre von Harry Potter eine Rolle spielen wird. Zumindest ich bin wie viele andere beim Vorlesen aller sieben Bände mit meinen Töchtern in diese Phantasiewelt eingetaucht und habe – natürlich auch gerne überzeichnete - Lehrer wie Gilderoy Lockhart, einen eingebildeten Schönling, der Bücher veröffentlicht hat und mit seinem Können prahlt und später als Scharlatan und Plagiator enttarnt wird, kennenlernen und auch über diese lachen gelernt. Schule wird hier zu einem Ort, zu dem jede etwas sagen kann, mit dem jeder von uns etwas zu tun hatte oder in dem einige von uns sich auch nach der Entlassung dieses Abiturjahrgangs weiterhin aufhalten werden.


Ihr – liebe Abiturient:innen - verlasst nun den Ort Schule, der euch neun Jahre Arbeitsplatz und Lebensraum war, dem für euch -passend zu meinem Motto- auch etwas Zauberhaftes anhaftet. Vorrangig nicht, weil dieser so zauberhaft schön ist (wobei ich als Schulleiter diese Rückmeldung über die EGG immer wieder rückgemeldet bekomme), sondern weil er euch Möglichkeiten geboten hat, euch auf das Leben draußen - außerhalb dieses zauberhaften Abenteuerlandes - vorzubereiten:

Und dies indem eure Schule euch nicht nur Vokabeln pauken ließ, einigen wenigen den ACI beigebracht hat, abstrakt in Formeln zu rechnen nötigte, sportliche Bestleistungen abverlangte, Wissen vermittelte und immer wieder eingefordert hat, um euch dann letztlich das verdiente Abitur verleihen zu können.

Schule war für euch in diesen neun Jahren aber auch Lebensraum: geregelt, berechenbar und vor allem abgetrennt von der harten Überlebensrealität außerhalb, ein Ort, an dem ihr euch selbst ausprobieren konntet, der euch Werte vermittelte, euch mit den verschiedenen Lehrer:innen- und Mitschülert:innenypen Identifikationsangebote machte, kurzum euch die Möglichkeit eröffnet hat, euch selbst zu finden und zu definieren.

Insofern ist es an Tagen wie heute nicht nur wichtig, Bilanz zu ziehen, welche Leistungen man erbracht hat, sondern auch, sich bewusst zu machen, als welche Persönlichkeit man die Schule verlässt.

Der weise Schulleiter von Hogwarts erläutert Harry Potter – aus meiner Sicht - eine wichtige Erkenntnis von Schulbildung:



Es sind nicht unsere Fähigkeiten, die zeigen, wer wir sind, sondern unsere Entscheidungen“.



In der heutigen Zeit verlässt man sich in der Bildungspolitik oft auf angeblich messbare Daten und Ergebnisse und entsprechend analysierende Vergleiche. Dies mag in vielen Bereichen auch durchaus sinnvoll sein. Dennoch täuscht diese Technokratisierung von Bildung über die zweite wichtige und eben nicht exakt messbare Aufgabe von Schule oftmals hinweg: die Ausbildung von Persönlichkeiten, die reif sind, im Leben draußen zu bestehen.



Ich bin heute fest bin ich davon überzeugt, dass ihr euch nicht neun Jahre durchgemogelt, pardon -gemuggelt habt, ansonsten befändet ihr euch heute nicht in unserem Theater. Es bleibt also der Blick in die Zukunft: Im ersten Band „Harry Potter und der Stein der Weisen“ findet sich die Aussage:



Es gibt Dinge, die man nicht gemeinsam erleben kann,
ohne dass man Freundschaften schließt“.



Ich denke, dass das so auch mit neun Jahren Schulzeit ist: Behaltet dement-sprechend eure EGG in freundschaftlicher Erinnerung und bleibt ihr ebenso freundschaftlich verbunden.



Und in diesem Sinne werde ich nun ganz konkret…


Meine sehr verehrten Gäste: Mir sitzen heute insgesamt 75 Abiturientinnen und Abiturienten gegenüber, allein 14 davon mit einem Einserschnitt, was ein ziemlich guter Wert ist; alle zusammen haben insgesamt einen Abiturdurchschnitt von 2,57 erreicht – ob das reicht um - wie bislang immer - besser zu sein als der Durchschnitt der Gesamtschulen in NRW, weiß ich aber noch nicht.


Und dabei ist nur knapp die Hälfte von euch nach der Grundschule mit einer reinen gymnasialen Empfehlung an der EGG oder anderen Schulen gestartet, denn insgesamt erhalten heute 6 Schülerinnen und Schüler das Abitur die ursprünglich nach dem 4. Schuljahr lediglich eine Hauptschulempfehlung erhalten hatten (darunter eine Schülerin mit dem Notendurchschnitt von 2,6) und 36 unserer heutigen Abiturient:innen gingen mit einer Realschulempfehlung von der Grundschule ab (darunter eine der besten Schülerinnen mit dem Notendurchschnitt von 1,0). Insgesamt haben also in diesem Jahrgang 51% aller Schülerinnen und Schüler ihr Abitur abgelegt, die normalerweise keinen direkten Zugang an einem Gymnasium gefunden hätten – eine eindrucksvolle Ziffer! Daneben haben wir mit 46% den bislang höchsten Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund zu verzeichnen. Dies sind noch einmal 5 % mehr als im letzten Schuljahr.


Aber in diesem Jahr gilt: Wo Licht ist, ist auch Schatten!

Dieser Notenschnitt, der sich durchaus sehen lassen kann, ist nur zu verstehen, wenn man weiß, dass die Notendurchschnitte all derjenigen, die zwar zugelassen worden sind, aber die das Abitur nicht bestanden haben aus dem Gesamtnotendurchschnitt herausgerechnet werden. Und leider haben 7 zugelassene Schüler:innen das Abitur nicht bestanden, was einem Anteil von 8,5% entspricht, eine Quote, die so nur im letzten Jahr übertroffen wurde und die mehr als dreimal so hoch ist wie der Durschnitt aus den letzten 10 Jahren.

Erklärbar ist das für mich nur mit den besonderen Bedingungen der Coronabeschulung während eines Teils der Oberstufenzeit sowie der Zeit des Übergangs in die Oberstufe.

Wir entlassen euch ins nachschulische Leben und ein Moment wie dieser ist immer etwas Besonderes und lässt vermutlich alle nicht kalt. Schon die Anrede macht das bewusst. Liebe Abiturientinnen und Abiturienten, habe ich vorhin gesagt, und damit die letzte Gelegenheit genutzt, als euer Schulleiter zu euch zu reden.

Wenige Minuten noch, und alle Beziehungen zwischen euch und dieser Schule und ihren Menschen werden ergänzt oder ersetzt durch Wörter wie „ehemalig“ oder „früher“. Meine ehemalige Schule. Mein früherer Schulleiter, Oberstufenleiter, meine frühere Beratungs- oder Englischlehrerin.

Ich wünsche euch, dass eure Zeit an der EGG irgendwann rückblickend zu den guten Zeiten eures Lebens gehören mag und dass ihr weitere gute Zeiten in der Zukunft folgen mögen. Ihr habt diese Schule mit Leben gefüllt. Ich sage im Namen der EGG: Herzlichen Dank!

Sie, liebe Eltern haben ihre Kinder zu unterschiedlichen Zeiten an die EGG angemeldet und ihre Erwartungen mögen von daher unterschiedlich gewesen sein. Wer sein Kind vor 9 Jahren hier angemeldet hat, hat eine andere Geschichte mit unserer Schule als derjenige, der die EGG erst in der Oberstufe kennen gelernt hat. Ich hoffe, Sie hatten selten Grund, an Ihrer Entscheidung zu zweifeln und Sie sind heute mehr denn je überzeugt, dass diese Entscheidung nicht schlecht war. Wir bedanken uns bei Ihnen für das geschenkte Vertrauen.

Vielleicht wollen trotzdem einige von Ihnen unsere Schule weiterhin unterstützen, indem sie einfach Mitglied im Förderverein bleiben – das wäre eine schöne und erfreuliche Geste. Vielleicht möchten Sie (oder ihre Kinder) auch zukünftig zu besonderen Veranstaltungen eingeladen werden (Konzerte, Feste); dafür geht während der Feierlichkeiten eine Liste herum, in der sie sich mit ihrer Mailadresse eintragen können und gezielt eingeladen werden. Bislang habe ich hierfür in den letzten Jahren knapp 300 Alumniadressen gesammelt.

Auch meine Rede kann – wie immer garniert mit einigen Fotos dieses Jahrgangs - auf unserer Homepage, dann bereits unter Ehemalige und dann Abschlussfeiern Abitur – nachgelesen werden.

Bedanken möchte ich mich in aller Namen, denke ich, auch bei den Lehrerinnen und Lehrern, die im Laufe der Jahre euch bzw. Ihre Kinder begleitet haben. Für deren Engagement, Langmut, Freundlichkeit und Anteilnahme. Dafür, dass sie in euch mehr gesehen haben als Schülermaterial, mit dem zu arbeiten war. Dass sie euch als Individuen wahrgenommen haben und zu fördern suchten und sich bemüht haben, euch gerecht zu werden und dabei authentisch geblieben sind.


Wo wir euch Schülerinnen und Schülern etwas schuldig geblieben sind oder uns aus eurer Sicht schuldig gemacht haben, hoffen wir auf Nachsicht und Verzeihen, wir sind darauf genauso angewiesen wie jeder andere Mensch auch.


Ihnen, liebe Eltern, waren Ihre Kinder nicht einerlei. Und wir Lehrer fühlten uns mit Ihnen verantwortlich für die Erziehung und Bildung Ihrer Kinder. Dass es das Ziel eurer Lehrer an der EGG war, euch neben Wissen auch Werte und Weisheiten zu vermitteln und euch damit fit für das Leben zu machen, mögt ihr mir glauben.


Ihr alle, die Ihr gleich eure Zeugnisse bekommt, habt etwas geleistet und durch eure jeweilige Anstrengung auch zu den Leistungen der anderen beigetragen. Niemand lernt für sich allein, und wo Lernen an der EGG gelingt, sind immer viele beteiligt: die Lehrkräfte, die Klassengemeinschaft, in der sich konkurrierend aber hoffentlich ohne Konkurrenzdruck, im leistungsfördernden Wettbewerb aber normalerweise ohne bissige Rivalität etwas entwickeln kann.

Aus diesem Grund möchte ich auch in diesem Jahr stellvertretend für alle hier Sitzenden folgenden Schüler und folgende Schülerinnen mit dem besten Abiturschnitt von 1,0 nach vorne bitten:

Jonathan Süß (1,0) und 824 Punkte

Jessica Hanowski (0,8) und 850 Punkte

Kristin Lehrhove (0,8) und 851 Punkte

Ich gebe euch stellvertretend für alle Mitschüler:innen ein kleines Buchpräsent mit auf den Weg, in das ich – obwohl die Zeugnisse erst gleich verteilt werden – folgende Zeilen hineingeschrieben habe:

Herzlichen Glückwunsch zum besten Abitur an der EGG im Abschlussjahr 2022. Ich wünsche dir viel Erfolg und Gottes Segen auf deinem weiteren Weg – Dein Schulleiter, Volker Franken“

In diesem Sinne verabschiedet sich die EGG in Dankbarkeit und Respekt von ihren Schülerinnen und Schülern und deren Eltern. Genießt diesen Tag und bleibt uns über diesen Tag hinaus verbunden!


Vielen Dank!

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